Etwas mehr Rücksicht bitte – Ich bin hochsensibel!

Viele hochsensible Menschen möchten diesen Satz bestimmt sehr gerne ihren Mitmenschen sagen. Doch wäre er tatsächlich hilfreich? In diesem Artikel möchte ich dir meine Sichtweise dazu etwas näherbringen.

Was es bedeutet, über eine erhöhte Wahrnehmungsfähigkeit zu verfügen

Etwa 20% der Menschen sind hochsensibel. Hochsensible Menschen, auch HSP (Highly Sensitiv Person) abgekürzt, nehmen mehr Reize aus der Umgebung und auch in sich selbst wahr. Ihr Nervensystem reagiert viel schneller und sie haben somit Zugriff auf viel mehr Informationen. Diese vielen Informationen wollen im Gehirn verarbeitet werden. In verschiedenen Untersuchungen konnte mittlerweile festgestellt werden, dass das hochsensible Gehirn anders arbeitet als andere Gehirne, denn es werden dort nicht nur viel mehr Reize wahrgenommen, sondern diese werden gründlicher und komplexer be- und verarbeitet. Manche Forscher bezeichnen das Gehirn hochsensibler Menschen auch als „Hochleistungsrechner“ und HSP als „Gehirn- Spitzensportler“. Wenn ich mir meinen Alltag als HSP  so anschaue, kann ich beide Begriffe nur bestätigen.

Und wie ein „Spitzensportler“ verbraucht diese komplexere und gründlichere Verarbeitung der vielen Wahrnehmungen sehr viel Energie, die dann manchmal recht schnell aufgefüllt werden möchte. Wenn du selbst hochsensibel bist, kennst du das sicher: Plötzlich ist der Akku leer und nichts geht mehr. Jetzt hilft nur noch Ruhe, etwas trinken und essen und manchmal muss sogar ein kurzer Schlaf sein, um wieder aktiv sein zu können.

Das ist die eine Seite der „Medaille“. Eine erhöhte Wahrnehmungsfähigkeit zu besitzen, kann aber auch bedeuten, sehr gut erspüren zu können, wenn irgendetwas nicht stimmt in der Beziehung, im Team bei der Arbeit oder zwischen Freunden. Und hochsensible Menschen sind sehr gut darin, die Bedürfnisse anderer Menschen wahrzunehmen und dann darauf einzugehen.

Außerdem ist es vielen HSP möglich, durch ihr „Hochleistungs- Gehirn“ komplexe Sachverhalte schnell zu erfassen, um die „Ecke“ zu denken und kreative Lösungsansätze für eine schwierige Fragestellung anzubringen. In einem Team kann das für „Nicht- Hochsensible“ durchaus eine Überforderung darstellen, was ich auch aus eigener Erfahrung kenne. Ich als HSP bin oft schon einige Schritte voraus gewesen und die Anderen konnten mir kaum oder gar nicht so schnell folgen in meinen Gedankengängen. Das hat das ein oder andere Mal zu Irritationen oder Spannungen geführt.

Hochsensible Menschen haben oft das Gefühl, irgendwie anders zu sein

Das bekomme immer wieder in meinen Einzelbegleitungen und Gruppenangeboten für HSP von ihnen erzählt: „Ich hatte mein Leben lang immer das Gefühl, irgendwie anders zu sein.“ Und meines Erachtens ist es ja auch tatsächlich so. Denn hochsensible Menschen nehmen anders wahr, denken anders und reagieren anders als normal sensible oder gar wenig sensible Mitmenschen. Im oberen Abschnitt habe ich dir das hoffentlich etwas vermitteln können.

Leider ist die moderne Welt eher laut, schnell und immer wieder unvorhersehbar und somit für hochsensible Menschen oft eine große Herausforderung. Es prasseln viel zu viele Reize in kürzester Zeit auf uns Menschen ein, die schnell verarbeitet werden sollen und meist eine sofortige Reaktion fordern. Ständig kann sich etwas im Außen ändern, worauf wir uns dann sofort ein- und umstellen sollen.

Das alles ist für Menschen mit erhöhter Wahrnehmungsfähigkeit kaum möglich, denn mit diesem Lebenstempo kann das hochkomplex wahrnehmende und verarbeitende Gehirn kaum mithalten. Hochsensible Menschen brauchen viel mehr Pausen und Rückzug, um das Wahrgenommene und Erlebte in Ruhe verarbeiten zu können und eventuelle Entscheidungen oder anstehende Schritte ebenfalls in Ruhe überdenken zu können. Sie brauchen auch mehr Zeit, um gut für sich selbst zu sorgen, sich zu entspannen und ihre Energie aufzutanken.

Und weil das so ist, brauchen HSP viel Verständnis und Rücksichtnahme von ihrem Umfeld, von Lebenspartnerin oder Lebenspartner, von Freuden, von Kolleginnen und Kollegen, in der Schule von Lehrerinnen und Lehrern…

Etwas mehr Rücksicht bitte – Ich bin hochsensibel!

Immer wieder höre ich von Klientinnen oder Klienten, die für sich erkannt haben, dass sie über eine erhöhte Wahrnehmungsfähigkeit verfügen und sich mit den Sonnen- und Schattenseiten der eigenen Hochsensibilität auseinandergesetzt haben, die Frage: Wie sage ich den Anderen, dass ich hochsensibel bin?

Eigentlich wäre dieser Satz „Etwas mehr Rücksicht bitte – Ich bin hochsensibel!“ dann doch naheliegend, um sich Anderen mitzuteilen, oder? Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass hochsensible Menschen genau so das Verständnis und die Rücksichtnahme auf ihre Bedürfnisse und Herausforderungen einfordern möchten. Dennoch denke ich, dass dieser Satz wenig zielführend sein wird. Und ich möchte dir kurz erklären, warum ich das so sehe:

  • Was sollen andere Menschen mit dem Begriff „hochsensibel“ anfangen, außer dich dann vielleicht in die „Der/Die-ist-immer-so-empfindlich-Ecke“ zu stellen? Die meisten Menschen wissen bisher noch nicht, was Hochsensibilität ist und was es bedeuten kann, mit dieser erhöhten Wahrnehmungsfähigkeit den Alltag zu meistern.
  • Indem du Rücksicht verlangst, weil du hochsensibel bist, verstärkst du die Vorurteile deines Umfeldes, dass dir „ständig alles zu viel ist“ oder du „dich immer so anstellst und super-empfindlich bist“.
  • Für mich klingt dieser Satz auch etwas wie eine Entschuldigung, denn weil du hochsensibel bist, sollen die Anderen nun endlich Rücksicht nehmen. Du gehst quasi „in Deckung“ vor dem Leben um dich herum und lebst eher passiv als aktiv.

Ich hoffe, du kannst meine Erklärungen nachvollziehen.

Aber wie können sich HSP nun ihrem Umfeld am besten mitteilen?

Dein Umfeld kann nicht wissen, wie es dir in bestimmten Situationen geht. Statt dich zu rechtfertigen, dass du ja hochsensibel bist und jetzt Rücksicht brauchst, sage deinem Gegenüber, WIE es dir geht und WAS du in dieser Situation brauchst. Und statt einer Handlungsaufforderung, könntest du an dein Gegenüber eine Bitte äußern, wodurch es die Freiheit behält, die Bitte zu erfüllen oder auch nicht. Ich möchte dir hier ein paar Impulse dafür geben, wie du dich mitteilen könntest:

  • Du hattest einen Vormittag voller Termine bei der Arbeit und nun steht die Mittagspause mit den Kollegen an. Dann könntest du zu ihnen sagen: „Ich merke gerade, dass ich sehr müde vom arbeitsreichen Vormittag bin und nun gerne alleine etwas frische Luft schnappen möchte. Ich werde in der Pause spazieren gehen und wünsche euch guten Appetit.“
  • Du bist mit deinen Freundinnen unterwegs in einem Cafe und merkst, wie die Geräuschkulisse dich immer unruhiger werden lässt. Du könntest deinen Freundinnen dann sagen: „Die Geräuschkulisse hier im Raum wird für mich langsam sehr unangenehm und ich merke, wie ich unruhig werde. Ich würde mir wünschen, wir könnten gehen.“
  • Deine Partnerin oder den Partner ist genervt vom Tag und redet dich recht forsch an, was dich trifft. Dann könntest du zu ihr oder ihm sagen: „Ich nehme wahr, dass du einen anstrengenden Tag hattest und recht genervt bist. Mir ist allerdings wichtig, WIE du mit mir redest und ich möchte dich bitten, einen anderen Tonfall zu verwenden.“
  • Deine Freundin möchte mit dir am Abend überraschend ausgehen. Du hattest allerdings einen anstrengenden Tag und dein Kopf brummt von den vielen Eindrücken. Du könntest sagen: „Ich würde zwar gerne Zeit mit dir verbringen, merke aber, dass mir der anstrengende Tag in den Knochen sitzt und ich jetzt Ruhe und Zeit brauche, um das alles zu verdauen. Ich würde heute gerne zuhause bleiben und lieber an einem anderen Abend etwas mit dir unternehmen. Vielleicht kannst du das ja nachvollziehen?“

Vielleicht hast du es bereits bemerkt, dass diese Art der Kommunikation der Gewaltfreien Kommunikation nach Rosenberg (GFK) entspricht. Meines Erachtens ist die GFK für hochsensible Menschen eine sehr gute Möglichkeit, mit sich selbst besser in Kontakt zu gehen (Wie geht es mir gerade und welches Bedürfnis habe ich jetzt?) und sich verständlich seinem Umfeld mitzuteilen.

Fazit:

Als hochsensibler Mensch nimmst du anders wahr, denkst anders und reagierst anders als die restlichen 80% der Gesellschaft. Somit können normal sensible oder wenig sensible Menschen nicht wissen, wie es dir in bestimmten Situationen geht. Statt dich zu rechtfertigen, dass du hochsensibel bist und dein Gegenüber Rücksicht zu nehmen hat, teile ihm mit, WIE es dir gerade geht und WAS du nun brauchst. Hilfreich dabei ist ein vorwurfsfreier Tonfall. Dadurch gibst du deinem Umfeld die Chance, dein Innenleben und deine daraus resultierenden Bedürfnisse besser nachvollziehen zu können. Und das wiederum wird das Verständnis für dein „So-sein“ und die Rücksichtnahme auf deine Bedürfnisse sicher fördern.

Schreibe gerne unten einen Kommentar, wie du das siehst und welche Erfahrungen du als HSP in der Kommunikation mit Anderen gemacht hast! Ich freue mich auf deine Rückmeldung…

Du bist hochsensibel und möchtest deinen Alltag entspannter gestalten und mehr Lebensfreude und Wohlbefinden für dich erreichen?

Dann empfehle ich dir meinen Online- Kurs für HSP „Mehr Energie und Balance im hochsensiblen Alltag„.

Ich unterstütze dich gerne dabei, dein Leben als HSP anders zu gestalten!

 

Ist eine Krise eine Katastrophe oder eher eine Chance?

Heute möchte ich mich einmal dieser Frage widmen. Dazu werde ich als Erstes auf den Begriff „Krise“ eingehen.

Was bedeutet das Wort „Krise“?

Laut Duden bedeutet Krise ganz allgemein: schwierige Lage, Situation, Zeit (die den Höhe- und Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung darstellt); Schwierigkeit, kritische Situation; Zeit der Gefährdung, des Gefährdetseins. Das kann den Verlust eines geliebten Menschen, einer Arbeit bedeuten oder auch eine Krankheit und noch vieles mehr, was ich gerade nicht mehr bewältigen kann.
Seinen Ursprung hat das Wort Krise, wie so oft, im Griechischen und zwar hieß es dort „krisis“ und bedeutete: Entscheidung, entscheidende Wendung, Ausschlag, Trennung. Im späteren Verlauf wurde daraus dann „krinein“ = kritisch, scheiden, sondern, trennen.

Wie du siehst, deutet schon das Wort „Krise“ darauf hin, dass es sich zwar um eine besonders schwierige Situation handelt, in der sich die betroffene Person vielleicht in seiner Existenz gefährdet sieht und emotional und psychisch instabil ist. Allerdings ist mit dem Begriff „Krise“ auch die entscheidende Wendung, Trennung verbunden und kann somit auch als Aufforderung zum Handeln, Aussortieren und Neugestalten verstanden werden.

Was ist eine „Katastrophe“?

Ganz allgemein wird als Katastrophe ein Unheil, Verhängnis, Zusammenbruch bezeichnet. Der Ursprung des Wortes ist ebenfalls aus dem Griechischen = katastrophe und bedeutet „Wendung, Umkehr“, im übertragenen Sinne: „Vernichtung, Zerstörung“. Bezogen auf meine Überlegungen würde das bedeuten, dass eine schwierige Situation, also eine Krise, ein Unheil darstellt und in einen totalen Zusammenbruch münden könnte.
Ich frage mich gerade, ob eine Krise dennoch wirklich in einen Zusammenbruch münden muss?

Welche Bedeutung hat das Wort „Chance“?

Um meine Anfangsfrage besser beantworten zu können, muss ich mich nun natürlich noch der Bedeutung des Wortes „Chance“ zuwenden. Im Duden habe ich dazu folgende Bedeutung gefunden: günstige Gelegenheit, Möglichkeit, etwas Bestimmtes zu erreichen und Aussicht auf Erfolg.
Dieses Mal liegt der Ursprung des Wortes im Französischen = chance „möglicher Fall, Wahrscheinlichkeit, Glücksfall“ und bedeutet eigentlich „Wurf, Fall der Würfel“ (aus altfrz. cheance, zu altfrz. cheoir „fallen“)
Erneut bezogen auf meine Überlegungen könnte eine schwierige Situation, also eine Krise, doch auch als eine günstige Gelegenheit, als Chance, betrachtet werden, die Würfel neu zu werfen. Vielleicht kann ich zum Beispiel nach einer Trennung nun endlich ein zeitintensives Hobby anfangen, welches ich schon immer machen wollte, aber meinem (ehemaligen) Partner zuliebe nicht nachgegangen bin. Oder ich nutze die Gelegenheit, nach einer Kündigung beruflich noch einmal völlig neu anzufangen.

Alles eine Frage der Sichtweise?

Ich kann diese Frage nun mit „Ja“ beantworten. Denn wie ich weiter oben bereits dargestellt habe, bedeutet das Wort „Krise“ auch eine entscheidende Wendung, Trennung und kann somit als Aufforderung zum Handeln, Aussortieren und Neugestalten verstanden werden. Wenn ich mich in einer schwierigen Situation, einer Krise befinde, kann ich darin ein Unheil, einen totalen Zusammenbruch sehen oder aber ich wende mich den Herausforderungen dieser schwierigen Situation bewusst zu und suche die Chance, die neuen Möglichkeiten, etwas Bestimmtes zu erreichen. Ich persönlich finde, ich habe immer eine Wahl! Auch wenn es anfangs vielleicht sehr schmerzlich und schwierig ist. Es ist immer meine Entscheidung, aus welcher Perspektive ich (m)eine Krise betrachte: als Katastrophe oder als Chance.

Und wie hat es bereits Max Rudolf Frisch (1911-1991, Schweizer Schriftsteller und Architekt) so schön formuliert:
„Krise kann ein produktiver Zustand sein. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“

• Du befindest dich gerade in einer Krise/ einem Lebensübergang und kommst alleine nicht weiter?
• Du hättest gerne eine stabile Begleitung durch diese unsichere Lebensphase?

Mit meiner Online- Begleitung „Entwicklungswege – Entdecke die Chance in deiner Krise“ unterstütze ich dich gerne dabei, deine Situation und dein Leben zu sortieren, Klarheit zu bekommen, dich besser kennenzulernen und ein neues (Lebens-)Ziel zu finden. Hier gibt es mehr Informationen dazu: „Entwicklungswege